Kranke müssen nicht zum Personalgespräch

Wer krank geschrieben ist, ist von seiner Arbeitspflicht befreit. Doch wie ist die Lage, wenn der Arbeitgeber ausdrücklich zu einem Personalgespräch einlädt?
Der zehnte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat hierzu am 02. November 2016 (10 AZR 596/15) entschieden, dass während der Krankheit keine Anwesenheitspflicht im Betrieb bestehe. Bei dringenden Ausnahmenfällen gilt dies jedoch nicht.

Sachverhalt:

Der Kläger ist seit dem 01. April 2003 bei der Beklagten im Unternehmen „kommunale Klinikkonzern Vivantes“ als Krankenpfleger beschäftigt. Nach einem Arbeitsunfall arbeitete er befristet als medizinischer Dokumentationsassistent. Jedoch erkrankte er während dieser Periode erneut, worauf das Unternehmen ihm eine schriftliche Einladung zu einem Personalgespräch zuschickte. Ziel des Gespräches war es, die weiteren Beschäftigungsmöglichkeiten des Klägers zu besprechen. Doch der Kläger lehnte die Einladung ab und verwies dabei auf seine Krankschreibung.

Daraufhin lud die Beklagte den Kläger erneut zu einem Gespräch ein, mit dem Hinweis, dass eine Absage nur unter Vorlage eines speziellen ärztlichen Attests erfolgen dürfe, in dem die gesundheitlichen Hinderungsgründe dargestellt werden. Dieser Einladung war der Kläger jedoch auch nicht gefolgt, sodass das Unternehmen den Kläger abmahnte.

Der Kläger begehrte die Unwirksamkeit der Abmahnung. Des Weiteren verlangte er die Feststellung, dass er während einer vom Arzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet sei, an Personalgesprächen teilzunehmen. Die Beklagte behauptet jedoch, dass die Nebenpflicht, die auch unter anderem die Teilnahme an Personalgesprächen beinhaltet, trotz der Arbeitsunfähigkeit bestehen bleibt.

Das Bundesarbeitsgericht entschied in der Angelegenheit zugunsten des Arbeitnehmers.

Entscheidung:

Die Abmahnung war unzulässig und muss folglich aus seiner Personalakte entfernt werden. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbestimmungen nicht anderweitig festgelegt sind. Da der krankgeschriebene Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit grundsätzlich von seiner Arbeitspflicht befreit ist, entfalle auch die Pflicht zur Teilnahme an solch einem Gespräch. Er ist somit nicht verpflichtet, im Betrieb zu erscheinen oder sonstige Pflichten zu erfüllen.

Eine Ausnahme liegt vor, wenn der Arbeitnehmer in gesundheitlicher Hinsicht dazu in der Lage ist und es aus betrieblichen Gründen unverzichtbar ist. Dann muss der Arbeitnehmer im Betrieb erscheinen. Allerdings lag so ein Fall vorliegend nicht vor, da die Beklagte keine Beweise für die zwingende Notwendigkeit des Erscheinens darlegen konnte. Der Arbeitnehmer durfte folglich sanktionslos die Gesprächsteilnahme verweigern.

Fazit:

Das Gericht hat mithin beschlossen, dass erkrankte Arbeitnehmer grundsätzlich von allen Arbeitspflichten freigestellt sind. Wer krank ist, ist krank. Der Arbeitgeber hat jedoch unter gewissen Umständen das Recht, den Arbeitnehmer zu kontaktieren, um die arbeitsvertraglichen Vereinbarungen zu erörtern.

Guido Wurll
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt