Problemaufriss
Immer wieder stellt sich die Frage, wie man wichtige Erklärungen rechtsicher und nachweisbar zustellt. Im Rahmen von Arbeitsverhältnissen ist der Hauptanwendungsfall solcher Fragen die Kündigung, mit dessen Zugang Klage- und Kündigungsfristen verbunden sind. Als Mittel der Wahl verwenden Arbeitgeber und Arbeitnehmer oftmals das sog. Einwurf-Einschreiben. Hierbei findet keine persönliche Übergabe an den Empfänger statt. Der Versender gibt das Einschreiben vielmehr in einer Postfiliale ab und erhält dort einen sog. Einlieferungsschein, der nachweist, dass das Einschreiben dort aufgegeben wurde. Hiernach wirft der Postbote das Einschreiben wie einen normalen Brief in den Briefasten des Empfängers und dokumentiert den Einwurf unter Angabe des Datums und der Uhrzeit auf einem sog. Auslieferungsbeleg. Auf Wunsch erhält der Versender eine Kopie des Auslieferungsbeleges. Das LAG Baden-Württemberg hat nun entschieden, dass der Beweis des ersten Anscheins für einen Zugang einer Erklärung spreche, wenn dieses Procedere beim Einwurf-Einschreiben vollumfänglich eingehalten wurde und der Versender eine Kopie des Auslieferungsbeleges vorlegen kann.
Der Fall
Der Arbeitgeber hatte der Arbeitnehmerin eine Einladung zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement zugesandt. Ohne die Durchführung eines solchen Verfahrens ist eine personenbedingte Kündigung in der Regel nicht möglich. Der Arbeitgeber hatte anschließend eine personenbedingte Kündigung ausgesprochen. Die Arbeitnehmerin berief sich unter anderem darauf, dass sie eine Einladung zu einem betrieblichen Eingliederungsmanagement nie erhalten habe und damit auch die Kündigung nicht rechtmäßig sei. Der Arbeitgeber hatte im Prozess einen Einlieferungsschein und den im Internet abgerufenen Sendungsstatus vorgelegt, in der der Status „zugestellt“ vermerkt war.
Die Entscheidung
Für das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg reichte der Einlieferungsbeleg in Kombination mit dem vorgelegten Sendungsstatus nicht als Nachweis für den Zugang der Einladung aus. Der Sendungsstatus habe mit einem Auslieferungsbeleg nichts gemein, sondern biete dem Absender die Möglichkeit unter Angabe der Lieferungsnummer den jeweiligen Status der Sendung, vornehmlich den Hinweis auf deren Zustellung, bestätigt zu bekommen. Aus dem Sendungsstatus gehe weder der Name des Zustellers hervor noch beinhaltet er eine technische Reproduktion einer Unterschrift des Zustellers, mit der dieser beurkundet, die Sendung eingeworfen zu haben. Die Aussagekraft des Sendungsstatus reiche daher nicht aus, um auf ihn den Anscheinsbeweis des Zugangs zu gründen.
Für die Praxis
Die Entscheidung zeigt ein weiteres Mal die Risiken einer Zustellung mittels Einwurf-Einschreiben. Dies gilt insbesondere, weil die Rechtsprechung hier uneinheitlich ist. Das Arbeitsgericht Düsseldorf hatte im Februar 2019 entschieden, dass auch der Auslieferungsbeleg nicht als Nachweis für die Zustellung ausreichend ist.
Bei einem „Einschreiben Rückschein“ ist nicht gewährleistet, dass der Empfänger tatsächlich Zuhause ist, wenn der Zusteller klingelt. Die Erklärung ist dann nicht mit Einwurf des Abholscheins zugegangen, sondern erst, wenn der Empfänger die Erklärung tatsächlich in der Postfiliale abholt (wenn er es denn überhaupt tut). Ein sicherer und kostenintensiverer Weg ist die Zustellung per Gerichtsvollzieher, die jedoch eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt und bei zeitkritischen Zustellungen eher nicht geeignet ist.
In der Praxis dürften daher weiterhin zwei Zustellmöglichkeiten am besten geeignet sein:
- Die persönliche Übergabe:
Hier sollte entweder ein Zeuge, der den Inhalt des Schreibens selbst gelesen hat, anwesend sein oder man lässt sich auf einer zweiten Ausfertigung des Schreibens die Übergabe quittieren.
- Zustellung per Boten in den Briefkasten des Empfängers:
Die verlässlichste Form der Zustellung unter Abwesenden ist die Zustellung per Bote. Bote kann grundsätzlich jeder sein, z.B. auch ein Mitarbeiter des Unternehmens. Auch der Bote sollte den Inhalt des Schreibens selbst gelesen haben. Der Bote sollte das Schreiben selbst in den Umschlag legen sowie das Procedere und den Einwurf in den Briefkasten des Empfängers so genau wie möglich (insbesondere Datum, Ort und Uhrzeit) dokumentieren.
Mittlerweile gibt es durch Smartphones auch weitere Beweismöglichkeiten (z.B. Selfies oder Videos während des Einwurfs in den Briefkasten). Soweit das Zustellungsprocedere bereits genau dokumentiert wurde, sind diese zusätzlichen Möglichkeiten nicht zwingend notwendig, schaden jedoch auch nicht. „Zu sicher“ kann eine Zustellung jedenfalls nicht sein.
Andreas Jakobs (Fachanwalt für Arbeitsrecht)