Auskunftsanspruch des Betriebsrats gegenüber Arbeitgeber auf Weitergabe sensitiver Daten

Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25.05.2018 sollte das Recht auf Schutz personenbezogener Daten der natürlichen Personen gestärkt werden. Hierdurch entstanden im kollektiven Arbeitsrecht Schwierigkeiten in Bezug auf die Rolle des Betriebsrates im Verhältnis zu Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Der Betriebsrat sieht sich seitdem im ständigen Spagat zwischen der umfassenden Wahrnehmung der Beteiligungsrechte im Betrieb und den bisher ungeklärten Anforderungen an die datenschutzrechtlichen Vorgaben. Mit Beschluss vom 09.04.2019 (1 ABR 51/17) versucht das Bundesarbeitsgericht weiterhin den neu entstandenen rechtlichen Rahmen zu konkretisieren.

Sachverhalt:

Der Antragsteller ist der im Betrieb des Antragsgegners gebildete Betriebsrat. In der Vergangenheit informierte die Arbeitgeberin den Betriebsrat darüber, welche Arbeitnehmerin ihre Schwangerschaft angezeigt hat. Seit Mitte 2015 räumte die Arbeitgeberin der schwangeren  Arbeitnehmerin die Möglichkeit ein, der Weitergabe dieser Information an den Betriebsrat fristgebunden zu widersprechen.

Der Betriebsrat begehrte die Nennung der Namen derjenigen Arbeitnehmerinnen, die ihre Schwangerschaften der Arbeitgeberin mitgeteilt und der Unterrichtung des  Betriebsrats über ihre Schwangerschaft widersprochen haben. Nach dessen Auffassung habe die Arbeitgeberin ihm jede von einer Arbeitnehmerin angezeigte Schwangerschaft mitzuteilen. Er habe als Gremium darüber zu wachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmerin geltenden Gesetze, darunter das Mutterschutzgesetz (MuSchG), von der Arbeitgeberin durchgeführt würden. Seine Informations- und Kontrollrechte seien gegenüber dem Vertraulichkeitsinteresse einer widersprechenden Arbeitnehmerin vorrangig.

Die Arbeitgeberin lehnte dies jedoch ab und begründete ihre Haltung damit, dass der Betriebsrat seiner Aufgabe, die Durchführung des MuSchG zu überwachen, auch mit einer anonymisierten, sich auf die Angabe des Arbeits- oder Funktionsbereichs der Schwangeren beschränkenden Auskunft nachkommen könne. Jedenfalls stünden das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Schwangeren und die Schutzwirkungen des Art. 6 GG dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats entgegen, wenn die Arbeitnehmerin dessen Unterrichtung über ihre Schwangerschaft ausdrücklich ablehne.

Entscheidung:

In erster und zweiter Instanz hatte der Antragsteller mit seinem Antrag Erfolg, mit Rechtsbeschwerde der Antragsgegnerin hob nun der 1. Senat des Bundesarbeitsgerichts den Beschluss der zweiten Instanz auf und verwies zur neuen Anhörung und Entscheidung an dieses zurück. Demnach ist Anspruchsvoraussetzung für einen allgemeinen Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG, wenn dieser eine besondere Kategorie personenbezogener Daten (sensitive Daten im datenschutzrechtlichen Sinn) umfasst, dass der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmer angemessene und spezifische Schutzmaßnahmen trifft.

Nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts muss der Betriebsrat seine Unterrichtungsanspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG begründende Überwachungsaufgabe i. S. v. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG genau bezeichnen. Es ist daher erforderlich, aufzuzeigen, welches zugunsten der Arbeitnehmerinnen konkret geltende Ge- oder Verbot der Betriebsrat hinsichtlich seiner Durchführung oder Einhaltung zu überwachen beabsichtigt und inwieweit er dafür die Unterrichtung über jede einzelne der Arbeitgeberin angezeigte Schwangerschaft unter Namensnennung der mitteilenden Arbeitnehmerin benötigt.

Im Rahmen der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit des streitgegenständlichen Auskunftsanspruches stellt das Bundesarbeitsgericht klar, dass sich die Verarbeitung von personenbezogener Daten zur Ausübung der kollektiven Beteiligungsrechte und der Beschäftigtendatenschutz nach § 26 BDSG nicht gegenseitig ausschließen. Vielmehr sei dieser Auskunftsanspruch nach § 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG zulässig, wenn sie zur Ausübung von Rechten oder zur Erfüllung rechtlicher Pflichten aus dem Arbeitsrecht, dem Recht der sozialen Sicherheit und der Sozialschutzes erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Person an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Hierbei sei nach § 26 Abs. 3 Satz 3 BDSG entsprechend § 22 Abs. 2 BDSG zu beachten, dass der Betriebsrat zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen angemessene und spezifische Maßnahmen trifft.

Nach diesem Maßstab arbeitet das Bundesarbeitsgericht heraus, dass die vom Betriebsrat beabsichtigte Unterrichtung über die Mitteilung der Schwangerschaft unter Namensnennung einer Arbeitnehmerin an diesen durch die Arbeitgeberin unter Rückgriff auf die in der DS-GVO sowie BDSG verwandten Begriffe nach Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 DS-GVO und § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG in den Anwendungsbereich des § 26 Abs. 3 BDSG fällt. Ob die Weitergabe der Informationen an den Betriebsrat zur Erfüllung einer rechtlichen Pflicht aus dem Arbeitsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG erforderlich ist, ergebe sich aus einer Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen im Wege praktischer Konkordanz sowie einer Verhältnismäßigkeitsprüfung. Diese Abwägung falle bereits zugunsten der Beteiligungsrechte des Betriebsrats aus, wenn sich dieser zur Begründung des Auskunftsbegehrens auf die Wahrnehmung einer gesetzlichen Aufgabe beruft und für dessen Wahrnehmung das verlangte Datum benötigt.

Da es sich bei der Mitteilung der Schwangerschaft einer Arbeitnehmerin an die Arbeitgeberin um eine Verarbeitung sensitiver Daten handelt und die Arbeitgeberin auf den Betriebsrat aufgrund dessen Unabhängigkeit als „Strukturprinzip der Betriebsverfassung“ keine Einwirkungsmöglichkeit hat, unterliege die Weitergabe an den Betriebsrat den Einschränkungen aus § 26 Abs. 3 Satz 3 i. V. m. § 22 Abs. 2 BDSG. Den Betriebsrat treffe daher eine eigene spezifische Schutzpflicht zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen. Im Rahmen der Geltendmachung des Auskunftsbegehrens auf sensitive Daten sei der Betriebsrat verpflichtet, der Arbeitgeberin gegenüber geeignete Schutzmaßnahmen darzustellen. Hierbei weist das Bundesarbeitsgericht auf die nicht abschließend aufgeführten möglichen Maßnahmen aus § 22 Abs. 2 BDSG. Das Vertraulichkeitsinteresse der Betroffen sei strikt zu achten.

Sind diese Vorgaben gewahrt, sind nach Auffassung des Bundesarbeitsarbeitsgerichts die Rechte der betroffenen Arbeitnehmerin auf informationelle Selbstbestimmung und aus Art. 6 GG ausreichend berücksichtigt.

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht hat damit festgelegt, dass der Betriebsrat weiterhin einen Auskunftsanspruch auf die Weitergabe von personenbezogenen Daten zur Wahrung der Überwachungsaufgaben hat. Dieser ist jedoch nur gerechtfertigt, wenn konkret dargelegt werden kann, wieso diese Daten zu Wahrnehmung der Beteiligungsrechte notwendig sind. Der Betriebsrat hat zudem spezifische Schutzmaßnahmen zu treffen. Das Bundesarbeitsgericht führt in diesem Zusammenhang exemplarisch aus, dass hierzu Maßnahmen zur Datensicherheit wie das zuverlässige Sicherstellen des Verschlusses der Daten, die Gewähr begrenzter Zugriffsmöglichkeiten oder deren Beschränkung auf einzelne Betriebsratsmitglieder sowie die Datenlöschung nach Beendigung der Überwachungsaufgabe gehören.  Ob es sich darüber hinaus bei dem Betriebsrat um einen „Verantwortlichen“ i. S. v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO handelt, was für den Betriebsrat weitere datenschutzrechtliche Pflichten als Folge hätte, lässt das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich offen. Dies dürfte jedoch wohl aufgrund der jüngsten Entwicklungen der Rechtsprechung zu befürchten sein. Es ist dem Betriebsrat daher zu raten, die datenschutzrechtlichen Vorgaben als „Verantwortlicher“ i. S. v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO einzuhalten, da anderenfalls die Erhebung von Bußgeldern drohen könnte, sollte die „Befürchtung“ sich rechtlich bewahrheiten. Letztendlich bleibt die Frage jedoch unbeantwortet, sodass die weiteren Entwicklungen unter Berücksichtigung der dadurch entstehenden problematischen Umsetzungsschwierigkeiten der datenschutzrechtlichen Pflichten eines „Verantwortlichen“ i. S. v. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO abzuwarten sind.

Guido Wurll
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt