Mittlerweile gehören Überstunden in den meisten Betrieben schon zur Gewohnheit. Die Mehrarbeitszeit festzuhalten und abzurechnen, ist häufig mit einigen Schwierigkeiten behaftet. Um diese Schwierigkeiten in der Praxis zu vermieden, werden oftmals Pauschalabgeltungen bestimmt. Diese sind allerdings häufig unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) stellte in seiner Entscheidung vom 26.06.2019 (5 AZR 452/18) fest, welche Vorgaben für diese Pauschalisierungsregeln in Betriebsvereinbarungen einzuhalten sind.
Sachverhalt:
Der Kläger ist bei der ver.di als Geschäftssekretär mit Wochenarbeitszeit von 35 Stunden beschäftigt. Vereinbart wurde eine sogenannte „Vertrauensarbeitszeit“. Das bedeutet Anfang und Ende der Arbeitszeit kann der Arbeitnehmer selbst bestimmen. Ferner versteht man darunter auch die Anzahl an Überstunden, auf die der Arbeitgeber vertraut, welche der Arbeitnehmer zur ordnungsgemäßen Erbringung der Arbeitsleitung benötigt. Die Vertrauensarbeitszeit gestaltet die Arbeitszeit grundsätzlich flexibler und ist daher ein beliebtes Arbeitszeitmodell.
Die „Allgemeinen Arbeitsbedingungen für die ver.di-Beschäftigten“ (ABB) finden auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Darin war festgehalten, dass Gewerkschaftssekretäre, die regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich neun freie Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten. Eine darüber hinausgehende Überstundenvergütung war nicht vorgesehen. Dagegen haben andere Arbeitnehmer, die keine Gewerkschaftssekretäre sind, für Überstunden einen Freizeitausgleich bzw. eine entsprechende Überstundenvergütung erhalten. Zudem bekamen sie einen Zuschlag in Höhe von 30 %.
Aufgrund der Übernahme eines weiteren Projekts begehrte der Kläger eine Überstundenvergütung für vier Monate, die über die Pauschale der ABB hinausging. Die Beklagte verweigerte jedoch die Zahlung. Nach ihrer Meinung wurden sämtliche Überstunden des Klägers mit den neun Ausgleichstagen abgegolten. Dies begründete die Beklagte damit, dass Gewerkschaftssekretäre ihre Arbeitszeit selbst einteilen können und Dienste höherer Art leisten, sodass keine Vergütungserwartung für Mehrarbeit bestünde.
Entscheidung:
Das Arbeitsgericht wies die Klage zunächst ab, die Revision hatte jedoch Erfolg. Der fünfte Senat des BAG entschied nämlich anders als die Vorinstanzen:
Demnach sind tarifvertragsersetzende Gesamtbetriebsratsvereinbarungen zwischen einer Gewerkschaft und ihrem Gesamtbetriebsrat unwirksam, soweit sie bestimmen, dass Gewerkschaftssekretäre, die im Rahmen vereinbarter Vertrauensarbeitszeit regelmäßig Mehrarbeit leisten, als Ausgleich hierfür pauschal eine näher bestimmte Anzahl freier Arbeitstage im Kalenderjahr erhalten.
Nach Auffassung des BAG verstößt diese Regelung gegen das Gebot der Normenklarheit und des Transparenzgebot. Aus der genutzten Formulierung „regelmäßige Mehrarbeit“ ist für den Beschäftigten nicht hinreichend klar bestimmt, wann ein solcher Fall vorliegt und wann nicht.
Darüber hinaus liegt auch ein Verstoß gegen den allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vor, denn die Klausel betrifft nur Gewerkschaftssekretäre. Eine willkürliche Benachteiligung einzelner Arbeitgeber widerspricht jedoch gerade diesem Grundsatz. Die „Regelmäßigkeit der Überstunden“ sei hierfür kein taugliches Differenzierungskriterium.
Demnach kommt bei Unwirksamkeit der Klausel ein Anspruch aus § 612 Abs. 1 BGB in Betracht, sodass die übliche Vergütung gezahlt werden muss – zuzüglich des Zuschlags von 30 %. Das BAG hat die Sache nun zurück ans LAG zurückverwiesen, damit die tatsächliche Anzahl der Überstunden ermittelt wird und so die Höhe genau beziffert werden kann.
Fazit:
Das BAG hat somit mit der Entscheidung festgelegt, dass eine pauschale Abgeltung von Überstunden zwar grundsätzlich zulässig ist, d.h. nicht jede Überstunde muss gesondert gezahlt werden. Jedoch müssen gewisse Spielregeln eingehalten werden, sodass der Mitarbeiter genau weiß, was auf ihn zukommt. Des Weiteren darf kein Verstoß gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgebot vorliegen.
Der Nachweis der Überstunden allerdings dürfte in Zukunft aufgrund der geänderten Rechtsprechung zur Zeiterfassung erleichtert sein.
Guido Wurll
Fachanwalt für Arbeitsrecht, Rechtsanwalt